Siebdruck auf dem Leinen-Einband
Siebdruck auf dem Leinen-Einband
Farbschnitt
Farbschnitt
Doppelseite aus dem Vorwort
Doppelseite aus dem Vorwort
Doppelseite aus dem Hauptteil
Doppelseite aus dem Hauptteil
Detail einer Kurzbiografie
Detail einer Kurzbiografie
Detail einer Doppelseite
Detail einer Doppelseite
Doppelseite aus dem Hauptteil
Doppelseite aus dem Hauptteil
2013

8m² – Acht Quadratmeter

Gestaltung

Peter Meyer

Pate

Ulrike Stoltz

Kategorie

durch die Blume

vorgeschlagen am

16. Juli 2013

Plädoyer

Ein Buch, in grobes graues Gewebe gebunden: »Acht Quadratmeter« steht auf dem Titel. Das ist die Größe einer Gefängniszelle. Das Buch enthält Texte, die Menschen hinter Gittern geschrieben haben. Alle hier abgedruckten Texte sind mit dem seit 1989 vergebenen »Ingeborg-Drewitz-Literaturpreis für Gefangene« ausgezeichnet und sind den jeweiligen Anthologien entnommen. Die Auswahl und Zusammenstellung für diese Ausgabe besorgte der Gestalter, Peter Meyer. Die Texte beschreiben den Alltag, die Erfahrungen, Gefühle, Hoffnungen, Träume, Sehnsüchte und Ängste, aber auch die Missstände und Mängel der Haft.

Sie kommen zu Wort in einer im Verhältnis zum Buchformat relativ großen, fetten serifenlosen Schrift (der URW Grotesk): schwer, direkt, schnörkellos treten sie uns vor Augen und bleiben dabei doch eingesperrt – in den Blocksatz und in einen dicken Linienrahmen, der einzig am Formatrand einen Ausweg zu bieten scheint: Fortsetzung auf der nächsten Seite, wo der Rahmen sich am Ende wieder um den Text legt und schließt. Die Linie ist so breit, dass sie am Beginn des Textes die jeweilige Überschrift enthält, der Name des/der Autor_in steht darüber, das heißt eigentlich direkt darauf: wie ein Türschild steht es da. Die Informationen zu den einzelnen Autor_innen finden sich dann unterhalb beziehungsweise außerhalb der »Textzelle« an deren Ende.

Die Texte zu lesen wird in diesem Buch gleichbedeutend damit, die Insassen im Knast zu besuchen. Das gestalterische Konzept ist bestechend einfach; die einzige Abwechslung besteht im individuellen Zuschnitt der Text-»Zellen«. Vorwort, Nachwort, Anhang und Impressum sind dementsprechend nicht in einen Linienrahmen eingesperrt und im Flattersatz gesetzt. Es gibt auch kurze Zitate, die Schwarz auf schwarzem Papier dem Vorwort, dem Textteil und dem Nachwort vorangestellt sind; ein ebensolches Zitat schließt das Buch ab. Das Schwarz dieser Trennseiten findet sich auch im Farbschnitt wieder. Das Papier lässt das Schwarz der Schrift und der Linien leicht hindurchscheinen, was nicht nur nicht stört, sondern die Hermetik und Geschlossenheit der Situation eher noch betont und verstärkt. Es hat eine leichte, geprägte Leinenstruktur, die wiederum mit den senkrechten und waagrechten Linien an Gitter erinnern – eine nonverbale Botschaft, die wir schon beim Einband beginnend und im Innenteil andauernd haptisch aufnehmen.

Das Buch zeigt Buchgestaltung, wie sie sein soll: auf den Text bezogen, ohne illustrativ zu sein. Die handwerkliche Seite lässt ebenfalls keine Wünsche offen, präzise bis ins Detail ist alles durchgearbeitet und trägt somit auch zum Eindruck hoher Konzentration und Dichte bei. Die Texte sind inhaltlich schwer, schwerwiegend, und wenn auch die Schriftwahl und -anordnung eine visuelle Schwere hat, so wird doch die Lesbarkeit der Texte durch die typografische Gestaltung nicht erschwert, sondern im Gegenteil positiv unterstützt. Die Gestaltung folgt hier dem durchaus klassischen Konzept »Typografie muss lesbar sein« – auch wenn weder die Inhalte noch deren typografische Form klassisch zu nennen sind. Eine rundum gelungene, zeitlos moderne Arbeit.


Beschreibung

»Das Gefängnis ist eine ganz eigene in sich geschlossene Welt, von der wir Draußengebliebenen – die wir lediglich durch eine winzige Drehung an der Schicksalsschraube verschont geblieben sind – beinahe gar nichts wissen.« (Kaspar Zorn)

Das Buch »8m² (Acht Quadratmeter)« entstand im Rahmen eines freien Projektes an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Es basiert auf meiner persönlichen Auseinandersetzung mit Gefangenenliteratur. Gefangenenliteratur umfasst all jene Erfahrungsberichte, Reportagen, Autobiografien, Briefwechsel, Prosa und Lyrik, die in oder infolge von Gefangenschaft entstanden sind.

Die Grundlage für diese Arbeit bildete ein im Sommersemester 2011 hochschulübergreifendes Projekt zwischen der Fachklasse Buchkunst (betreut durch Prof. Sabine Golde) der Burg Giebichenstein in Halle und des Studiengangs Kommunikationsdesign mit dem Schwerpunkt Typografie (betreut durch Prof. Ulrike Stoltz) der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Ausgehend von einem Text von Gerrit Jan de Rook mit dem Titel »Bücher sind wie … Häuser. Vögel. Reisen.« beschäftigte ich mich im Zuge dessen erstmals mit Gefangenenliteratur. Im Rahmen dieses hochschulübergreifenden Projektes enstand meine erste Arbeit, die sich mit Gefangenenliteratur beschäftigt. Hierfür analysierte ich erst das komplette Strafgesetzbuch, interpretierte es dann und inszenierte es zuletzt typografisch in einem Buch. Das Ergebnis ist ein (unleserliches) Buch – quasi eine Wand aus Worten. Alle Zeichen, bis auf die Wortzwischenräume, sind durchgestrichen und interpretieren so das deutsche Strafgesetz auf eine typografisch-bildliche Art und Weise. Da ich die recherchierten Texte der Gefängnisinsassen nicht mit dem Strafgesetzbuch kombinieren wollte, entstand im darauffolgenden Jahr eine zweite Arbeit, die sich ausschließlich der Gefangenenliteratur widmet.

Das Konzept, die Gestaltung und Typografie, die Schriftwahl, der Materialeinsatz und die Veredelung ergaben sich aus der literarischen Intensität dieser Texte.

Mein Ziel war, Menschen auf Gefangenliteratur aufmerksam zu machen und dem Leser einen Blick hinter die Mauern zu gewähren. Ich möchte mit dieser Arbeit keinesfalls eine Wertung zu den Umständen abgeben, die zur Verurteilung und zur Freiheitsstrafe der Gefangenen / Autoren führte. Das aufgrund seines Inhalts sehr emotionale Buch beschreibt authentisch und literarisch anspruchsvoll, wie Gefangene die Haft erleben. Sie berichten vom Leben hinter Gittern – von Gefühlen, Hoffnungen, Träumen, Sehnsüchten und Ängsten.

»Jeden Abend der gleiche Vorgang: Tür zu, Schlüssel rum, Licht aus, allein mit dem Schweigen. Wenn die Wände erzählen könnten! Von denen, die nachts leise weinen, von denen, die im Schlaf schreien oder von denen, die ganz still sind.« (Ralf Sonntag)

Die Texte sind beeindruckend ausdrucksstark und gewähren dem Leser einen Blick in die acht Quadratmeter einer herkömmlichen Gefängniszelle.

Um dem Leser das Gefühl der Gefangenen / Autoren näher zu bringen und die Intensität der Texte zu unterstützen, entschied ich mich bewusst für eine schwere Grotesk und einen eingeengten / ummauerten Textrahmen. Die Worte erscheinen schwer und die dicken schwarzen Balken, von denen die Texte umgeben sind, grenzen sie von dem großzügigen Weißraum der Doppelseiten ab. Die Enge scheint sich so zu verdoppeln – man fühlt sich unwohl, ein Unbehagen steigt auf. Der Leser wird so automatisch in den Text gezogen und fühlt sofort die Schwere und Enge der beschriebenen Erfahrungen und Umstände.

»Anfangs war er verzweifelt, dann kam die Auflehnung gegen das Schicksal, dann die Phase der Ergebung. Jetzt hat er nur noch Angst, Angst vorm Tod in diesem Haus, und manchmal ist er versucht, den langen Weg zu diesem furchtbaren Ende abzukürzen.« (Norbert Jeschke)

Details

Entstehungsjahr

2012

Prototyp

weitere Angaben

Format:
180 × 280 mm

Papier:
Opaline-Leinen (110 g/m²) von May+Spies
schwarzes Ingrespapier (90 g/m²)

Bindung:
Fadenheftung auf Lagen

Schrift:
URW Grotesk Medium & Light von Hermann Zapf

Veredelung:
Siebdruck auf groben Leinen-Einband
dreiseitiger Farbschnitt in schwarz

initiiert von

Beteiligte

Schlagwörter

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