2014
Obdach, eine Straßenzeitung für Mainz
Gestaltung
Pate
Kategorie
vorgeschlagen am
27. Januar 2014
7 T
Plädoyer
Viele Straßenzeitungen in Deutschland werden redaktionell von Journalisten gestaltet. »Obdach« beschreitet einen anderen Weg und gibt dem Genre der Straßenzeitung wieder ein Gesicht: ein raues, ungeschöntes, aber auch dankbares und lustiges, dessen Kopf ab und zu eine Narrenkappe krönt.
Aus diesem Grund meldeten sich auf einen Aushang vier Menschen, um an einer Straßenzeitung für Mainz mitzuarbeiten. Diese Menschen sind entweder obdachlos oder haben in der Vergangenheit in Obdachlosigkeit gelebt.
Bei den wöchentlichen Treffen wurden die geschriebenen Artikel gelesen, die Fotografien der Einwegkameras angesehen sowie über neue Themen für »Obdach« nachgedacht. Durch diese enge Zusammenarbeit und die vielen Gespräche entstand von Treffen zu Treffen mehr Vertrauen, das »Obdach« inhaltlich sowie gestalterisch bereichert und dieses Projekt zu etwas ganz Kostbarem macht.
Beschreibung
Als ich noch in Leipzig lebte, kaufte ich mir hin und wieder die Leipziger Straßenzeitung »Kippe«. Dies geschah aber nicht, weil ich die Inhalte oder die Gestaltung interessant fand, sondern weil ich dem Verkäufer mit meinem Geld helfen wollte. Als ich im September 2010 für sechs Wochen in Hamburg ein Praktikum absolvierte, entdeckte ich bei meinen Mitbewohnern die Straßenzeitung »Hinz&Kunzt«. Schon das Cover überraschte mich durch seine klare und zeitgemäße Gestaltung. Auch der Inhalt weckte mein Interesse: durch eine gute Mischung aus sozialkritischen und kulturellen Themen, Analysen und Interviews mit Obdachlosen und Prominenten.
Daraufhin befasste ich mich intensiv mit Straßenzeitungen. Viele Straßenzeitungen in Deutschland orientieren sich inhaltlich und gestalterisch an kommerziellen Magazinen. Dies kann durchaus ein erfolgreiches Modell sein, wie das Beispiel »Hinz&Kunzt« zeigt. Meiner Meinung nach sollten sich Straßenzeitungen jedoch als eigenes Genre betrachten und das durch ihre Inhalte und durch ihre Gestaltung zum Ausdruck bringen. Des Weiteren finde ich, dass die Verkäufer von Straßenzeitungen in den konzeptionellen und redaktionellen Prozess integriert werden sollten. Eine authentische Zeitung kann nur entstehen, wenn die Menschen, die darin thematisiert werden, mit ihren eigenen Worten ein Bild der Straße wiedergeben können.
Mein Konzept:
Eine Zeitung sollte nicht nur als »gute Tat« sondern wegen ihres interessanten Inhalts gekauft werden. Die Gestaltung sollte sich dem Inhalt anpassen und glaubwürdig wirken. In Mainz wird bisher nur eine überregionale Straßenzeitung, die »strassen gazette«, vertrieben, die entsprechend geringfügig auf das Leben in Mainz eingeht. Darum machte ich die Entwicklung und Realisation einer neuen Straßenzeitung für Mainz zum Thema meiner Bachelor-Arbeit.
Kontakt zu meinem Redaktionsteam erhielt ich durch die Start-Hilfe Mainz, eine Beratungsstelle für Menschen ohne Wohnung der Pfarrer-Landvogt-Hilfe. Über Aushänge und Flyer in der »Start-Hilfe« versuchte ich, obdach- und mittellose Menschen für mein Projekt zu gewinnen. Bei den wöchentlichen Treffen besprachen wir Texte, Fotografien und Layout und diskutierten Ideen für neue Artikel. Der Thematik entsprechend ist die Produktion »Low Budget«. Das spiegelt sich auch in der Gestaltung wider: sie ist zurückhaltend und klar. Die Arbeit des jeweiligen Autors soll im Vordergrund stehen, nicht die Gestaltung.
Für das Bildkonzept differenzierte ich zwischen dem dokumentarischen Teil und den Fotografien des Teams. Der dokumentarische Teil bestand partiell aus Digital- und Analog-Fotografien, die mit Einwegkameras vom ganzen Team erstellt wurden. Die daraus entstehenden Unterschiede in der Bildqualität hob ich durch eine einheitliche Rasterung auf. Um zwischen den Fotografien der Dokumentation und den Arbeiten des Teams zu differenzieren, wurden diese in Graustufen abgebildet. Die eigentlichen Fotografien des Teams wurden alle analog mit der Einwegkamera erstellt und ausschließlich farbig abgebildet.
Alle in »Obdach« enthaltenen Texte wurden originalgetreu übernommen, das heißt es wurden keine Korrekturen in Bezug auf Ausdruck oder Rechtschreibung vorgenommen.
Die Herstellung:
Für die ersten drei Ausgaben konnte ich die W.B. Druckerei Hochheim und den Caritasverband Mainz gewinnen. Die W.B. Druckerei schenkte mir das Papier und reduzierte erheblich die Druckkosten, die der Caritasverband Mainz übernahm. Die nachfolgenden vier Magazine wurden von mir selber, auf einem extra für Obdach gekauften Drucker hergestellt.
»Obdach« wurde aus Kostengründen in schwarz-weiß gedruckt. Die Farbabbildungen wurden auf einem gesonderten Bogen gesammelt und später mit dem Obdach-Team gemeinsam in die Hefte geklebt. Dies ist nicht nur kostengünstig, sondern verleiht der Zeitung auch einen handgemachten Charakter. Als Bindung fungierte eine Klammerheftung. »Obdach« ist eine von gestalterischen, sowie teilweise inhaltlichen Gesichtspunkten künstlerische Zeitung, die einerseits Hintergrundinformationen zur soziale Lage in Mainz aufzeigt und andererseits ungeschönt die Meinung der Straße offen legt. »Obdach, eine Straßenzeitung für Mainz« kann als eine Art »soziale Plastik« gesehen werden, da die Zusammenarbeit und Organisation mit dem Obdach-Team einen ebenso wichtigen Anteil an der Bachelor-Arbeit einnimmt.
Nach meiner Bachelor-Arbeit und neben meiner Berufstätigkeit habe ich an Wochenenden weitere vier Ausgaben mit der Redaktion zusammen gestaltet, auf meinem Drucker gedruckt und mit dem Team gemeinsam fertiggestellt. Als meine Berufstätigkeit immer mehr Zeit einforderte, versuchte ich einen Nachfolger für das Projekt zu finden. Leider vergebens. Weihnachten 2012 erschien die letzte Ausgabe von »Obdach«.
Details
Entstehungsjahr
2011
realisiert
weitere Angaben
Das Projekt »Obdach, eine Straßenzeitung für Mainz« besteht aus sieben Magazinen (18 x 22,5cm) und einer Fotoausstellung, die im Atelier Zukunft Mainz, sowie bei »dogooder-Festival Mainz« gezeigt wurde.Auflagenhöhe / Seiten:
Ausgabe 1–3: 250 Exemplare, 32 Seiten
Ausgabe 4: 100 Exemplare, 28 Seiten
Ausgabe 5: 250 Exemplare, 24 Seiten
Ausgabe 6: 300 Exemplare, 40 Seiten
Ausgabe 7: 250 Exemplare, 40 Seiten
Papier:
Als Papier wurde überwiegend Recyclingpapier genutzt.
Das Papier für Ausgabe 4–7 erwarb ich bei der Druckerei der Fachhochschule Mainz.
Drucktechnik:
Druck aus Kostengründen in schwarz-weiß
Die Farbabbildungen wurden auf einem gesonderten Bogen gesammelt und später mit dem Obdach-Team gemeinsam in die Hefte geklebt.
Für die Jubiläumsausgabe wurde das Cover auf einem Risographen gedruckt.
Bindung:
Klammerheftung
Preis aller Ausgaben:
2 Euro, von denen der Verkäufer 1,50 Euro erhält.
Website
www.obdach.netinitiiert von
Beteiligte
- Kathleen, Uwe, Heinz, Musallam, Obdach-Redaktion
- Johannes Bergerhausen, Betreuender Professor an der FH Mainz
- Alica Jörg, Mit-Initiatorin der Fotografieausstellung: »Und da liegt der Hase in der Pfeffersauce!«
- Lisa Lorenz, Unterstützung von »Obdach« durch Illustrationen
- Michael Weninger, Unterstützung von »Obdach« durch Illustrationen
- Start-Hilfe Mainz e.V., Begegnungsstätte und Treffpunkt
- W.B. Druckerei, Druck der ersten drei Ausgaben
- Caritasverband Mainz, Teil-Sponsor der ersten drei Ausgaben
Schlagwörter
- Ausstellung
- Editorial
- Foto
- Kommunikationsdesign
- Magazin
- Mainz
- Obdach
- Obdachlosigkeit
- Straßenzeitung
- Zeitung
- KRISTEL Magazin - 2 Schlagwörter Übereinstimmung 20%
- Kommt zusammen! Kirche, Moschee, Synagoge - 1 Schlagwort Übereinstimmung 10%
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