2013
Synagoge Ulm
Gestaltung
kister scheithauer gross architekten und stadtplaner GmbH
Pate
Kategorie
vorgeschlagen am
23. März 2013
9 T
Plädoyer
Vor zwei Jahren habe ich den Beginn des Baus gesehen. Nun ist er in nur zwei Jahren fertig geworden und ist im Kostenrahmen geblieben. Das hat meinen Respekt und sollte erwähnt werden.
Beschreibung
2009 entschloss sich die Israelitische Religionsgemeinschaft Württembergs K.d.ö.R. (IRGW), eine neue Synagoge für ihre Ulmer Gemeinde zu bauen und initiierte daraufhin gemeinsam mit der Stadt Ulm den Wettbewerb für den Neubau eines Gemeindezentrums mit Synagoge. Die Stadt Ulm unterstützte das Bauvorhaben wohlwollend und stellte den Bauplatz mitten auf dem Ulmer Weinhof zur Verfügung, nur einen Steinwurf von der ehemaligen, in der Pogromnacht zerstörten Synagoge.
Am 21.1.2010 fiel die Wahl der Wettbewerbsjury unter Vorsitz von Prof. Arno Lederer einstimmig auf unseren Entwurf. Insgesamt waren zehn Architekturbüros zu dem Wettbewerb eingeladen worden. Im Anschluss daran veränderten wir den Entwurf, auf einige Anregungen des Preisgerichtes und des Rabbiners hin. Am 8.2.2011 stimmte der Ulmer Stadtrat dem von uns überarbeiteten Entwurf wieder einstimmig zu. Der Quader war nun niedriger und kürzer als zunächst im Wettbewerb geplant. Er maß jetzt 24 Meter in der Breite, 16 Meter in der Tiefe und war mit 17 Metern Höhe deutlich niedriger als das nahe gelegene Schwörhaus. Der Spatenstich erfolgte am 17.3.2011. Knapp 20 Monate später war das Bauwerk vollendet und damit rechtzeitig zur feierlichen Eröffnung am 2.12.2012 fertiggestellt.
Konzept
Die Synagoge und das jüdische Gemeindezentrum sind in einem einzigen Baukörper zusammengefasst. Der kompakte Quader steht frei auf dem Platz. Die Position ergibt sich aus der Geschichte: in der Pogromnacht 1938 wurde die ehemalige Synagoge, die in eine Straßenrandbebauung eingefasst war, zerstört. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Lücke mit einem Gebäude profaner Nutzung bebaut. So verloren die Synagoge und das jüdische Gemeindezentrum ihren angestammten Platz im Zentrum der Stadt Ulm.
Das Bauwerk der jetzigen Synagoge hat ein neues Grundstück mitten auf dem Platz, dem Ulmer Weinhof. Als wäre die Synagoge von ihrer ehemaligen Position aus einen Schritt nach vorne getreten, hat sie sich ihren Standort zurückerobert. Ohne baulichen Saum steht sie als Solitär unvermittelt auf dem Weinhof.
Alle Nutzungen des Gemeindezentrums und der Synagoge sind in dem glatten Baukörper, der gänzlich ohne Vor- und Rücksprünge der Kalksteinfassade auskommt, zusammengefügt: Ein Foyer im Erdgeschoss, eine unterirdische Mikwe, ein Versammlungssaal im ersten Stock. Die Schul- und Verwaltungsräume befinden sich im zweiten Stock. Im dritten Obergeschoss liegt, geborgen in einem nicht einsehbaren Innenhof, die Kindertagesstätte mit Außenspielfläche. Die Spielfläche ist gleichzeitig das Dach des Sakralraumes.
Im Inneren sind alle Räume orthogonal organisiert, mit einer einzigen Ausnahme, dem Gebetssaal als der eigentlichen Synagoge. In einer Drehung um die einzige freistehende Innenstütze des Gebäudes erstreckt sich die Längsachse des Sakralraumes in die Raumdiagonale. Diese Raumdiagonale hat in ihrer Ausrichtung eine übergeordnete religiöse Bedeutung, sie zielt geographisch exakt nach Jerusalem, dem geistigen und religiösen Zentrum des Judentums.
Durch die diagonale Raumausrichtung ergibt sich im Sakralraum ein Eckfenster, das mit dem Motiv des Davidsterns als Raumfachwerk spielt. Anhand von über 600 einzelnen Fenstern ergibt sich in der Synagoge ein vielfach illuminierter Raum mit Schwerpunkt in dessen geistigem Zentrum, dem Thoraschrank. In der Dämmerung wird das Motiv durch die Innenbeleuchtung auch nach außen wirksam und macht damit auf einfache Weise den Inhalt des Bauwerkes deutlich.
Abgesehen von dem großformatigen Eckfenster hält sich das Gebäude ansonsten dezent zurück. In den funktional notwendigen Bereichen durchbrechen Fensteröffnungen die sonst weithin geschlossene Natursteinfassade. Erst im Sakralraum ist der Naturstein so aufgelöst, dass durch eine Perforation der Fassade das Licht in die Synagoge eindringt und diese zugleich nach außen hin abbildet.
Details
Entstehungsjahr
2012
realisiert
Ort
weitere Angaben
ProjektdatenWettbewerb:
11/2009
Leistungszeit:
2010–2012
Baubeginn:
03/2011
Fertigstellung:
12/2012
BGF:
1.980 m²
Leistungsphasen:
1–4 plus künstlerische Oberleitung und Leitdetails
Baukosten:
4,6 Mio. Euro
Konstruktion, Fassade, Innenausbau und Materialien
Die Stahlbetonkonstruktion ist von einer Fassade aus Kalkstein umschlossen. Es handelt sich um den »Dietfurter Kalkstein«, der im bayerischen Dietfurt bei Treuchtlingen gebrochen wird. Die vorgehängte Natursteinverkleidung mit geschliffener Oberfläche und geschlossenen Fugen mit farblich abgestimmtem Mörtel besteht aus großformatigen Kalksteinplatten in Maßen bis 1,20 x 0,90 Metern. Die Platten sind mit versetzten Fugen und in unterschiedlichen Höhenformaten montiert.
Das Eckfenster der Synagoge hat die Abmessungen von 2 x 4,20 x 8,50 Metern. Die darunterliegende Tragkonstruktion aus Stahl besteht aus einem Flachgitter mit dreieckigen Feldern. Diese Dreieckskonstruktion erwies sich als besonders belastbar, so dass die Konstruktionstiefe deutlich verringert worden konnte.
Ein Davidstern der perforierten Fassade besteht aus sechs Dreiecken mit einer Seitenlänge von ca. 19 cm und einem regelmäßigen Sechseck mit einer Höhe von 50 cm. Die Perforation des Kalksteines wurde mit einem Hochdruck-Wasserstrahl hergestellt.
Zusätzlich zur Synagoge umfasst der viergeschossige Neubau Mikwe (Ritualbad), Gemeindesaal, Bibliothek, Kindergarten mit Spielhof sowie ein Jugendzentrum. Im Foyer wurde eine Steinzeugfliese verlegt, in den restlichen Räumen Linoleum. Der Synagogenraum ist, genauso wie der Gemeindesaal, mit Stäbchen-Eichenparkett ausgelegt.
Der Gebetsraum bietet 125 Personen Platz, 40 davon befinden sich auf der Frauenempore. Die Sitzbänke stammen aus Israel. Die Wände sind bis 3,00 m Höhe mit Holztafeln auf einer Holzunterkonstruktion verkleidet. Darüber sind die Wände mit einem hellen Akustikputz versehen.
Die Innenausstattung der Synagoge basiert nur in Teilen auf Plänen von ksg, wie etwa der zwölfeckige Leuchter, ein Symbol für die zwölf Stämme des Volkes Israel. Gemeinsam mit den Vertretern der IRGW übernahm Rabbiner Shneur Trebnik die Auswahl des Gestühls und beauftragte in Israel die Anfertigung von Thoraschrein samt Bima, ein erhöhtes Podium mit Pult, von dem aus die Thora verlesen wird.
initiiert von
Beteiligte
- kister scheithauer gross architekten und stadtplaner, Architekten, LPH 1-4 plus gestalterische Leitdetails und künstlerische Oberleitung
- nps Bauprojektmanagement GmbH, Ulm, Projektsteuerung
- Matthäus Schmid Bauunternehmen GmbH & Co. KG, Baltringen, Generalunternehmer
- Hofmann GmbH + Co.KG, Werbach-Gamburg, Naturstein Fassade
- Uzin Utz AG, Ulm, Boden
- Schanbacher Parkett- und Fußbodentechnik, Filderstadt, Bodenverlegung
Schlagwörter
- Kissenkollektion: Platte - 2 Schlagwörter Übereinstimmung 29%
- Kommt zusammen! Kirche, Moschee, Synagoge - 1 Schlagwort Übereinstimmung 14%
- »Form & Funktion« – Dreidimensionale Fassadenornamentik als Fertigmodul zur Wärmedämmung - 1 Schlagwort Übereinstimmung 14%
- Turnhalle auf dem Tempelhofer Feld - 1 Schlagwort Übereinstimmung 14%
- Blaubau - 1 Schlagwort Übereinstimmung 14%
Neu hier? Dann erst registrieren