Perlenwasserflasche
Perlenwasserflasche
Pressform
Pressform
Skizze
Skizze
Gipsmodell
Gipsmodell
2014

Perlenflasche

Gestaltung

Prof. Günter Kupetz

Pate

Birgit Bauer

Kategorie

kleine Ewigkeit

vorgeschlagen am

25. Februar 2014

Plädoyer

Günter Kupetz ist Bildhauer gewesen – das heißt, als er mit 17 eingezogen wurde und nach Kriegsjahren zurückkam, fing er im zertrümmerten Berlin eigentlich eine Maurerlehre an. Vom Maurer zum Architekten war es nicht weit, also beschritt der junge Günter auch diesen Weg ein Stück. Schließlich blieb er als Schüler bei dem Bildhauer Bernhard Heiliger.

Wie ein Bildhauer zum Design der wohl verbreitetsten Flasche der Welt kommt? Laut Kupetz ist daran nicht nur seine Expertise, sondern auch das Glücksrittertum und die verworrenen Wege der Nachkriegszeit schuld. Denn, wie er mir einmal erzählte, gab es ja damals keine »Designer«. Wenn jemand eine Flasche brauchte, gab es einen Aufruf, bei dem alle möglichen Disziplinen mitmachten. Bei der Normflasche Deutscher Brunnen, die heute als »Perlenflasche« weltbekannt ist, waren auch Grafiker und andere Künstler mit im Rennen. Da Günter Kupetz durch glückliche Umstände bei der WMF schon Erfahrung mit dem Werkstoff Glas gemacht hatte, bekam er den Job und hob im Frühjahr 1969 die Perlenflasche aus der Taufe.

Für mich repräsentiert die Perlenflasche ein Stück lebendiger deutscher Designgeschichte, die des Pfandsystems und viele Bilder vieler schön gedeckter Tische auf denen die Perlenflasche immer eine gute Figur machte. Da ich Günter Kupetz persönlich kennenlernen durfte, symbolisiert die Flasche für mich auch den Aufbruch einer verwundeten, traumatisierten Jugend in die Nachkriegszeit. Sie war nie Ausdruck einer Revolution, sondern Verwirklichung dessen, was sich die von Krieg und Vernichtung gezeichneten jungen Leute von der Zukunft wünschten.

Die Perlenflasche fand auf der ganzen Welt Verbreitung, weil sie nicht nur gut in der Hand liegt, sondern auch in den Abfüllanlagen optimal läuft und als Pfandflasche viele viele Kreisläufe mitmacht. Und wer findet nicht auch, dass die Glasperlenstruktur am besten die Frische von Sprudelwasser wiedergibt?

Ich freue mich jedes Mal, wenn ich eine der vielen Millionen Flaschen sehe und finde, Herr Kupetz sollte trotz vieler anderer Auszeichnungen auch den Ehrenpreis erhalten.

Beschreibung

Mit der Form meiner sogenannten Perlenflasche, jener Norm-Glasverpackung, auf die sich die in der Genossenschaft Deutscher Brunnen organisierten Produzenten von Mineralwasser in Deutschland im Jahr 1969 verständigten, verbinden zu meiner Freude inzwischen 95 Prozent der deutschen Verbraucher Mineralwasser. Als ich den Auftrag zur Gestaltung einer solchen Einheitsflasche erhielt, ging es zunächst darum, ein einfaches, deutschlandweites Pfandsystem für Mineralwasser zu initiieren, um den bis dato lokal organisierten Abfüllermarkt mit verschiedensten Flaschenformen zu vereinheitlichen. Meine Normflasche und das dazugehörige deutschlandweit einheitliche Pfandsystem sollten es ermöglichen, eine in Hamburg gekaufte Mineralwasserflasche in München zurückzugeben. Ein ungeplanter, aber der Genossenschaft Deutscher Brunnen überaus willkommener Nebeneffekt war, dass die deutschlandweit einheitliche Flasche den Markt für Mineralwasser hierzulande erst entstehen ließ – bis zur Einführung eines flächendeckenden Systems war nämlich mit Kohlensäure versetztes Mineralwasser noch ein nahezu exotisches Erfrischungsgetränk. Ich darf wohl sagen, dass mein Design dem Produkt zum Durchbruch verhalf.

Im Vorfeld meiner Arbeit erhielt ich eine Studie der Marktforschungsfirma Oppenheimer, die in Deutschland erforscht hatte, wie eine Flasche aussehen sollte, in der einfach Wasser war. Außerdem gab es technische Vorgaben, denn die Glashütten mussten sich damals gerade mit neuen Fertigungsmaschinen einrichten. Die Perlenflasche wurde in einem Viererkarussell gefertigt und dann auf einem Band von Arbeitern kontrolliert. Vor meinem Entwurf standen deshalb unter anderem Verschluss, Durchmesser und Höhe der Flasche bereits fest. Die Verdickungen in der Silhouette sollten übrigens verhindern, dass sich das Etikett abnutzt. Am Grad der Abgestoßenheit dieser Verdickungen lässt sich erkennen, wie lange die Flasche schon im Umlauf ist – je breiter und rauher der Streifen, desto länger. Über fünfzig Mal können die Flaschen wiederverwendet werden.

Bis heute sind mehr als fünf Milliarden Flaschen produziert worden. Die Form der Perlenflasche ist seit 1969 unverändert. Ihr Erfolg beim Verbraucher hat die Genossenschaft Deutscher Brunnen auch dazu bewogen, die typische Form der Flasche auf die seit den 1990er Jahren gebräuchliche PET-Mehrwegflasche zu übertragen, auch wenn es hierfür keinerlei produktionstechnische Notwendigkeit gab. PET hat als Werkstoff nämlich andere Eigenschaften als Glas und kann darum anders geformt werden. Die Entscheidung, meine Perlenflaschengestaltung auf das Material PET anzuwenden, hatte also in erster Linie marketingorientierte Gründe. Es ging darum, das positive Image der gläsernen Perlenflasche auf ein deutlich minderwertigeres Material zu übertragen. Da seit ihrer Markteinführung der Anteil der PET-Mehrwegflaschen im Bereich Mineralwasser kontinuierlich wächst und der Anteil der gläsernen stetig zurückgeht, kann man den angestrebten Imagetransfer als gelungen betrachten.

Details

Entstehungsjahr

1968

realisiert

weitere Angaben

0,7-Liter-Mehrwegflasche

Material
Flasche aus Klarglas
Schraubverschluss aus Aluminium

Maße
Höhe 29,4 cm
Bodendurchmesser 7,2 cm

Gewicht
circa 600 g

Auflage
über 5 Milliarden Expemplare

initiiert von

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