2014
Perlenflasche
Gestaltung
Pate
Kategorie
vorgeschlagen am
25. Februar 2014
20 T
Plädoyer
Wie ein Bildhauer zum Design der wohl verbreitetsten Flasche der Welt kommt? Laut Kupetz ist daran nicht nur seine Expertise, sondern auch das Glücksrittertum und die verworrenen Wege der Nachkriegszeit schuld. Denn, wie er mir einmal erzählte, gab es ja damals keine »Designer«. Wenn jemand eine Flasche brauchte, gab es einen Aufruf, bei dem alle möglichen Disziplinen mitmachten. Bei der Normflasche Deutscher Brunnen, die heute als »Perlenflasche« weltbekannt ist, waren auch Grafiker und andere Künstler mit im Rennen. Da Günter Kupetz durch glückliche Umstände bei der WMF schon Erfahrung mit dem Werkstoff Glas gemacht hatte, bekam er den Job und hob im Frühjahr 1969 die Perlenflasche aus der Taufe.
Für mich repräsentiert die Perlenflasche ein Stück lebendiger deutscher Designgeschichte, die des Pfandsystems und viele Bilder vieler schön gedeckter Tische auf denen die Perlenflasche immer eine gute Figur machte. Da ich Günter Kupetz persönlich kennenlernen durfte, symbolisiert die Flasche für mich auch den Aufbruch einer verwundeten, traumatisierten Jugend in die Nachkriegszeit. Sie war nie Ausdruck einer Revolution, sondern Verwirklichung dessen, was sich die von Krieg und Vernichtung gezeichneten jungen Leute von der Zukunft wünschten.
Die Perlenflasche fand auf der ganzen Welt Verbreitung, weil sie nicht nur gut in der Hand liegt, sondern auch in den Abfüllanlagen optimal läuft und als Pfandflasche viele viele Kreisläufe mitmacht. Und wer findet nicht auch, dass die Glasperlenstruktur am besten die Frische von Sprudelwasser wiedergibt?
Ich freue mich jedes Mal, wenn ich eine der vielen Millionen Flaschen sehe und finde, Herr Kupetz sollte trotz vieler anderer Auszeichnungen auch den Ehrenpreis erhalten.
Beschreibung
Im Vorfeld meiner Arbeit erhielt ich eine Studie der Marktforschungsfirma Oppenheimer, die in Deutschland erforscht hatte, wie eine Flasche aussehen sollte, in der einfach Wasser war. Außerdem gab es technische Vorgaben, denn die Glashütten mussten sich damals gerade mit neuen Fertigungsmaschinen einrichten. Die Perlenflasche wurde in einem Viererkarussell gefertigt und dann auf einem Band von Arbeitern kontrolliert. Vor meinem Entwurf standen deshalb unter anderem Verschluss, Durchmesser und Höhe der Flasche bereits fest. Die Verdickungen in der Silhouette sollten übrigens verhindern, dass sich das Etikett abnutzt. Am Grad der Abgestoßenheit dieser Verdickungen lässt sich erkennen, wie lange die Flasche schon im Umlauf ist – je breiter und rauher der Streifen, desto länger. Über fünfzig Mal können die Flaschen wiederverwendet werden.
Bis heute sind mehr als fünf Milliarden Flaschen produziert worden. Die Form der Perlenflasche ist seit 1969 unverändert. Ihr Erfolg beim Verbraucher hat die Genossenschaft Deutscher Brunnen auch dazu bewogen, die typische Form der Flasche auf die seit den 1990er Jahren gebräuchliche PET-Mehrwegflasche zu übertragen, auch wenn es hierfür keinerlei produktionstechnische Notwendigkeit gab. PET hat als Werkstoff nämlich andere Eigenschaften als Glas und kann darum anders geformt werden. Die Entscheidung, meine Perlenflaschengestaltung auf das Material PET anzuwenden, hatte also in erster Linie marketingorientierte Gründe. Es ging darum, das positive Image der gläsernen Perlenflasche auf ein deutlich minderwertigeres Material zu übertragen. Da seit ihrer Markteinführung der Anteil der PET-Mehrwegflaschen im Bereich Mineralwasser kontinuierlich wächst und der Anteil der gläsernen stetig zurückgeht, kann man den angestrebten Imagetransfer als gelungen betrachten.
Details
Entstehungsjahr
1968
realisiert
weitere Angaben
0,7-Liter-MehrwegflascheMaterial
Flasche aus Klarglas
Schraubverschluss aus Aluminium
Maße
Höhe 29,4 cm
Bodendurchmesser 7,2 cm
Gewicht
circa 600 g
Auflage
über 5 Milliarden Expemplare
initiiert von
Schlagwörter
- Bildhauer
- Flasche
- Glas
- Kupetz
- Mineralwasser
- Pfandflasche
- Produktdesign
- Schraubverschluss
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