Alpen
Alpen
2013

Berg / Die Erhabenheit

Gestaltung

Peter von Felbert

Pate

Daphne van der Grinten

Kategorie

kleine Ewigkeit

vorgeschlagen am

14. Januar 2013

Plädoyer

Mich fröstelt’s, obwohl ich innerlich glühe, wenn ich Peter von Felberts Bild betrachte. Es ist ein Foto, das mit der Kamera gezeichnet worden ist.

Ich bin ganz und gar kein Bergfex. Trotzdem ergreift mich, wann immer ich einen Blick darauf werfe, eine mir bis dahin unbekannte Sehnsucht nach diesem Berg. Fast die Lust darauf, mich der glühend himmelwärts gewandten Schroffheit auszuliefern.

Peter von Felbert ist es gelungen, sein Werk, sowohl farblich als auch in der Bildaufteilung, so zu gestalten, dass es eine gleichzeitig aufregende und beruhigende Wirkung auf mich ausübt.

Es ist die Gestalt gewordene Stille, das lockend Entgegengesetzte, die zugewandte Kehrseite.

Für mich heißt diese Arbeit: Die Erhabenheit.

Beschreibung

Die höchste Erhebung in meinem Umfeld war über viele Jahre ein gefühlt 30 Meter hoher, ziemlich unspektakulärer Schlackeberg. Die Alpen waren schlichtweg in einer anderen Welt weit jenseits des Ruhrgebietes. Selbst als ich als Fotograf nach dem Studienabschluss an der FH Bielefeld nach München übersiedelte, blieben die Berge lange eine Region, die ich als Stadtmensch mehr als Barriere auf dem Weg nach Italien denn als persönliche Herausforderung betrachtete. Bis mir eines Abends vor etwa fünf Jahren die Bilder von Luis Trenkers »Der verlorene Sohn« über den heimischen Fernsehbildschirm flackerten. Es waren die imposanten Aufnahmen der Dolomiten in diesem Filmklassiker aus dem Jahr 1934, die plötzlich etwas in mir weckten. Wie gewaltig dieser neue Eindruck war, mag sich ein wenig daraus erschließen, dass ich mich kurz darauf ins Auto setzte und drei Tage lang durch die Täler Südtirols kurvte.

Seitdem faszinieren mich die Alpen, insbesondere die winterliche Hochgebirgsregion. Fotografisch begann nun allerdings eine Frustphase. Es fiel mir zunächst nicht leicht, meine Gefühle in Bildern zum Ausdruck zu bringen. Alles wirkte viel zu pittoresk mit diesem blauen Himmel. Die Alpen zeigten sich mir Gebirgs-Greenhorn jedes Mal neu und anders. Sie verlangten nach einer anderen Logistik als vorangegangene Bildserien. Was sich jetzt und hier entwickelte, war stärker konzept-orientiert als alle meine vorigen Projekte. Wie fotografiert man diese schroffe, fremde Welt, in der das Thermometer bis auf minus 30 Grad Celsius fällt? Am Anfang gab es da ganz praktische Überlegungen: Sollte das Thema mit einer Großbildkamera umgesetzt werden, im Mittelformat oder doch mit einer digitalen Kleinbildkamera? Also reiste ich mit einem Kofferraum voller Foto-Equipment nach Österreich und entschied mich im Gelände für das digitale Kleinbild. Die handliche Nikon D2X (später eine Nikon D3) machte das Rennen. Überwiegend sollte mit dem 2,8/70-200-mm-Zoom und Zweifach-Konverter gearbeitet werden.

Wer heute in den Bergen fotografiert, bewegt sich in einem Umfeld, das die Kunstwelt in den vergangenen zehn Jahren zunehmend für sich wiederentdeckt hat. Der Südtiroler Walter Niedermayr, der Schweizer Jules Spinatsch, aber auch Margherita Spiluttini oder Axel Hütte haben hier wichtige Beiträge geleistet. Dabei hatte es nach der Vereinnahmung der Bergwelt durch die Naturideologie der Nazis und dem folgenden Heile-Welt-Heimatkitsch der 50er Jahre lange gedauert, bis sich die Kunst wieder ans Zentralmassiv wagte. Gerne hatte man das der schrillen Populärkultur mit fröhlichem Heiditum und Milka-Romantik überlassen. Die Berge zeigten zwei Nachkriegsgenerationen ausschließlich ihre Schokoladenseite. Man pflegte Klischees und watete durch seichte Täler zum Musikantenstadel.

In meinen Bildern fesselt den Blick zunächst die gewaltige Gesteinsmasse, die geologische Formation, baumlos, schneebedeckt, Ehrfurcht erweckend. Die Bilder der Bergsilhouetten bleiben ästhetisch noch in der Tradition der Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts. Ein Spiel irgendwo zwischen Faszination, Ehrfurcht und Bedrohung. Eine subtile Rolle spielt bei meinem Alpen-Projekt die digitale Bearbeitung. Nachbearbeitet habe ich via Photoshop. Ich neutralisierte den blauen Himmel zum einheitlichen Grau. So wirkt das verbleibende Sonnenlicht auf den Bergen plötzlich surreal irritierend. Die Frage nach der Wirklichkeitswahrnehmung stellt sich oft in meinem Werk. Mich interessiert die Grenzlinie zwischen Wahrheit und Fiktion.

Details

Entstehungsjahr

2012

realisiert

weitere Angaben

Format:
120 x 160 cm

Technik:
Inkjet

Papier:
Photo Rag 308 g/m² von Hahnemühle

initiiert von

Schlagwörter

2 Kommentare

1 Ulrike Damm, 21.2.2013, 11:51

Dieses Foto ist ein Schwarz/Weiß-Foto im allerbesten Sinne, kontrastreich und fragil, fast wie eine Zeichnung. Und es wird einem wirklich kalt, so treffend sind Motiv und Stimmung eingefangen. Dieses Bild ist deshalb so großartig, weil es eine Übersetzung der Wirklichkeit ist und nicht vorgibt, selbst die Wirklichkeit zu sein. Das ist dann Kunst.

2 Sibylle Wagner, 20.3.2013, 10:25

faszinierend, weil es auch ganz klein sein könnte, das Erhabene, ein Eisw[rfel eventuell! Und alles, was sich dem eigentlich Unbeschreibbaren im Aesthetischen n'hert, steht unter Verdacht des Erhabenen.

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