​​Ich sehe was, was Du nicht siehst und das ist … toll! 

Hundertprozentige Objektivität gibt es nicht, auch nicht in den Naturwissenschaften, noch nicht einmal in der Mathematik. Der Umkehrschluss, dass es bei Gestaltung hundertprozentig um Subjektivität geht, ist allerdings auch falsch. Es ist nur so, dass es hier viel weniger substantiell Messbares und qualitativ Quantifizierbares gibt. Es gibt kein Maßband, auf dessen Skala man einen Wert ablesen könnte.  

Umso wichtiger ist ein guter Diskurs, geführt mit Leidenschaft, Offenheit und Integrität.  

Die eigene Wahrnehmung von Gestaltung sprachlich zum Ausdruck zu bringen, ist allerdings nicht einfach. Urteilen ist noch schwieriger. Wer darf sich das anmaßen? Nur Fachleute, die selbst anerkanntermaßen gute Arbeiten machen? oder auch Laien, die mit diesen Arbeiten leben? Beim Ehrenpreis laden wir – mit Zustimmung der jeweiligen Urheber – beide Seiten ein.  

Wir müssen reden: Fachleute und Laien und der Ehrenpreis

Demokratie und Gestaltung vertragen sich denkbar schlecht miteinander. Dennoch urteilen beim Ehrenpreis nicht nur Experten, sondern unabhängig davon auch das Publikum. Jeder darf jede Arbeit kommentieren, diskutieren und für den Publikums-Ehrenpreis empfehlen. Jeder Mensch ist mit fünf Sinnen und einem Verstand ausgestattet, die geweckt und geschärft werden können. Insofern besitzt jeder das nötige Instrumentarium zur Beurteilung. Weitere wichtige Faktoren hierbei sind Erfahrung und Bildung. Wer sich nämlich 100 oder 1.000 oder 10.000 Stunden lang mit etwas beschäftigt hat, wird dieses Etwas entsprechend differenzierter und kundiger beurteilen und verargumentieren als jemand, der sich noch nie oder wenig damit befasst hat. Und dennoch kann passieren, dass ein Unkundiger etwas sieht, was Fachleute (so) noch nicht gesehen haben, gerade weil ihm diese Expertise fehlt, weil er möglicherweise einen frischen, unverstellten Blick hat.

Aber das wirklich gute Urteil zeichnet sich dadurch aus, dass es nicht nur mit Sachverstand, sondern auch mit Liebe getroffen wird. Und hiermit sind wir wieder bei der Subjektivität.

Es ist einfach so: Menschen sind Stimmungen unterworfen, auch denen anderer. Sie stehen unter dem Einfluss von Erlebnissen, Jahreszeiten, Wetter, der Atmosphäre eines Raumes oder Ortes, der Dynamik einer Gruppe und so weiter. Je nachdem wird ein Urteil immer (graduell) unterschiedlich ausfallen, auch von Fachleuten.

Der Ehrenpreis versteht sich entsprechend nicht als absolute Instanz, sondern wirft ein temporäres Schlaglicht. Das eigentliche Ziel ist also nicht die Auszeichnung, sondern der Weg dahin, der Diskurs. 

Warum?

Reden bringt Segen

Je mehr über Gestaltung gesprochen wird, desto mehr kommt das nicht nur den einzelnen Gestaltern sondern der ganzen Disziplin zugute. Wir hoffen: je mehr einzelne Menschen gelungene Gestaltung sehen und sich darüber austauschen, desto mehr gelungene Gestaltung werden alle Menschen ernten. Dafür bedarf es der Bereitschaft von Gestaltern, Auftraggebern und Rezipienten, miteinander ins Gespräch zu kommen. Und darauf freuen wir uns.

PS

Später einmal wird es eine Veranstaltungsreihe namens »Reden über Gestaltung« geben, über die dann hier an dieser Stelle berichtet wird, mit Terminen und Orten und und und.