2013
Kommt zusammen! Kirche, Moschee, Synagoge
Gestaltung
Pate
Kategorie
vorgeschlagen am
5. November 2013
50 T
Plädoyer
Ein einziges Bild der Ausstellung »Kommt zusammen! Moschee, Kirche, Synagoge« von Jochen Gewecke sagt mehr als hundert Worte!
Kraftvoll und zugleich sehr behutsam laden die Bilder dieser drei wundervollen Ausstellungszyklen Menschen unterschiedlicher Religionen ein, im wahrsten Sinne des Wortes Schwellen zu überschreiten: Denn Jochen Gewecke zeigt seine Moschee-Fotografien in Kirchen, seine Synagogen-Bilder in Moscheen und seine Kirchen-Aufnahmen in Synagogen. Auf diese Weise lädt er Juden, Christen und Muslime dazu ein, in fremde Gotteshäuser zu schauen und Gast bei den jeweils Anderen zu sein. Die feine Achtsamkeit, mit der Jochen Gewecke in seinen Fotografien Themen wie Religionsvielfalt, Verständnis und Respekt aufgreift, ist außergewöhnlich. Von ganzem Herzen schlage ich daher die berührenden Bilder der Ausstellung »Kommt zusammen! Moschee, Kirche, Synagoge« und deren Vision von einem toleranten, religiösen Miteinander für den Ehrenpreis vor.
Beschreibung
Und jetzt? Eine Ausstellung mit Moschee-Fotografien. Aber wo? Galerie? Rathaus? Bank? Nein, nein! Das passt nicht. Aber wo denn dann, um Himmels willen? Eine Kirche sollte es sein. Moschee-Bilder in der Kirche, genau: das war’s!
Also eine Kirche finden. Nett fragen. Nochmal fragen. Geduld haben. Denn die Pfarrerin hatte einen Wohnungsbrand gehabt und andere Sorgen. Also wieder fragen. Irgendwann endlich ein »Ja« bekommen. Monate später Eröffnung: Moschee in der Kirche: CityKirche Mannheim, Februar 2004. Die erste Etappe auf einem langen Weg. Dabei geht es um Kunst, nicht um die pure Dokumentation. Um Abstraktion, Konkretion, um Reduktion und Fokussierung. Um die Essenz.
Die Fotografien sind durchweg farbig. Und doch oft monochrom oder nur wenig »bunt«. Meistens extrem reduziert und nicht opulent, eher grafisch als fotografisch. Die Fotografien verraten den Grafiker, der ich von Berufs wegen bin: Formen, Muster, Flächen, Farben. Licht und Schatten. Spiegelungen und Reflektionen. Nicht das Abgebildete ist wichtig, sondern das Bild, das entsteht. Ein Bild, das für sich steht und nicht für das, was war, als es entstand. Eine Geschichte erzählen, die Fantasie wecken, zum Weiterdenken anregen, zum Hinschauen animieren. Die Welt mit anderen Augen sehen, neue Blickwinkel entdecken, Sensibilität fürs Detail entwickeln.
Doch zurück zum Weg. Ein Pfarrer fragte: »Kann die Ausstellung denn auch zu uns in die Kirche kommen?« Sie konnte – wurde dort aber vom Kirchengemeinderat wieder ausgeladen. Also suchte ich eine andere Kirche, die die Bilder beherbergen würde. Und so begann die Ausstellung von Ort zu Ort zu reisen. Bis ein Freund fragte: »Gut und schön, aber wann bringst Du die Kirche in die Moschee?« Das saß. Er hatte ja recht. Also traf ich Vorbereitungen und fotografierte schon mal vorsorglich in Kirchen. Aber sie in einer Moschee auszustellen, sollte noch Jahre dauern. Zwischendurch bereits die Frage: Und was ist mit den Synagogen? Die oft nur noch verwischte oder gar keine sichtbaren Spuren mehr hinterlassen haben (Gott sei Dank gibt es jetzt wieder neue, so in Ulm oder in München). Unterdessen tourte die Ausstellung und brachte Menschen zusammen: in Stuttgart, Tübingen, Karlsruhe und Balingen. Dort hingen dann auch schon die ersten Kirchenfotos, fein ökumenisch getauscht: die evangelischen bei den Katholiken und umgekehrt und die Moschee-Fotos in beiden Gotteshäusern.
Dann 2007 das große Abenteuer: Kirche in der Moschee. Moschee in der Synagoge. Synagoge in der Kirche. Alle waren sie dabei. Endlich. Wieder in Mannheim. Mit einem angedrohten Bildersturm in einem der drei Gotteshäuser, der nur mit viel diplomatischem Geschick in der Nacht vor der Eröffnung abgewendet werden konnte. Das Fernsehen war da und drehte einen famosen Bericht für die Nachrichten. Und ich dachte, das sei der Durchbruch. Weit gefehlt. Er war es nicht. Danach war jahrelang Stille. Kein Mensch interessierte sich für das Projekt.
Erst die Verleihung des Europäischen Bürgerpreises und die damit verbundene mediale Aufmerksamkeit brachte wieder Schwung in die Sache. Ausstellungen in Erdmannhausen, Kirchheim am Neckar, Salzburg, Saalfelden und Schwäbisch Hall folgten. Neue Fotografien kamen hinzu, beispielsweise aus orthodoxen Kirchen. Eine serbisch-orthodoxe Kirche öffnete ihre Türen für Fotos aus der Moschee und der Synagoge.
Heute ist die Ausstellung auf dem Sprung in weitere Länder, zum Beispiel nach Brüssel ins Europäische Parlament, vielleicht sogar über den großen Teich: Im Juli 2013 habe ich sie einem Museum in Kansas / USA vorgestellt. Doch auch der Sprung um die nächste Ecke oder in die mir nächstgelegene Großstadt will gewagt sein: Selbst dort war die Ausstellung noch nicht. Denn die Entwicklung des interreligiösen Dialogs braucht da offenbar noch Zeit.
Der Weg ist nicht zu Ende. Er hat gerade erst angefangen.
Details
Entstehungsjahr
2007
realisiert
weitere Angaben
Technik:überwiegend Diapositiv, wenige Digitalfotos
ohne Blitz
Papier:
Ilfochrome
Formate:
zwischen 13 x 18 und 50 x 60 cm
Rahmung:
Schrägschnittpassepartout, Aluminiumrahmen
initiiert von
Beteiligte
- Bekir Alboga, war der Erste, der »sein« Haus für Fotoaufnahmen öffnete: die Mannheimer Moschee
- Ilka Sobottke, stellte erstmals Moschee-Fotografien in der City-Kirche aus und hielt die erste Eröffnungsrede
- Kai Gugel, dokumentierte den Fotografen fotografisch
- Yvonne Armbruster, übersetzte Bildtitel ins Englische
- Yves Provencal, übersetzte Bildtitel ins Französische
- Dr. Axel Schwaigert, hielt die zweite und weitere Eröffnungsreden
- Dr. Thomas Hörnig, hielt die dritte und weitere Eröffnungsreden
- Ismayil Arslan, übersetzte Ausstellungstexte ins Türkische
- Stefanie Müller, führte in die Ausstellung ein, als sie erstmals Moschee, Kirche und Synagoge zusammenbrachte
- Dr. Aladdin Jokhosha, kalligrafierte »Kommt zusammen!« auf arabisch
- Elazar Abitbol, war der erste Jude, der sich von mir im Gebet fotografieren ließ
- Anna Abitbol, kalligrafierte »Kommt zusammen!« auf hebräisch
- Jens Sommer, dokumentierte ganz viele der Ausstellungen fotografisch
- Dr. Wolfgang Forthofer, holte die Ausstellung nach Österreich
- Katharina Janik Bossmann, übersetzte Ausstellungstexte ins Englische und arbeitet daran, die Ausstellung in die USA zu bringen
- Prof. Hans Küng, sprach bei der Eröffnung in Tübingen über die Frage, ob Christen und Muslime miteinander beten dürfen
- Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin, motivierte mich immer wieder auf dem Weg
- Tilmann Pröllochs, fragte, wann denn endlich Kirchenfotos in die Moschee kommen
- Evelyne Gebhardt, schlug das Projekt für den Europäischen Bürgerpreis vor, mit dem es dann auch ausgezeichnet wurde
- Hasan Temiztürk, kalligrafierte die Worte »Jesus« und »Maria« auf farbigen Seidenstoff für die Ausstellung in Schwäbisch Hall
Schlagwörter
- Ausstellung
- Austausch
- Dialog
- Fotografie
- Friedensprojekt
- gegenseitiges Verstehenlernen
- interkultureller Dialog
- interreligiöser Austausch
- Kirche
- Moschee
- Religion
- Synagoge
- Trialog
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