temporäres digitales Tagebuch
temporäres digitales Tagebuch
330 Seiten Gegenwartsarchiv – ein Wendebuch mit zwei Covern – einmal Archiv / Collect und einmal Consume / Highlights
330 Seiten Gegenwartsarchiv – ein Wendebuch mit zwei Covern – einmal Archiv / Collect und einmal Consume / Highlights
Collect Part – archivarischer Teil des Buches – exemplarische Doppelseite eines Telefons mit vielen Informationen
Collect Part – archivarischer Teil des Buches – exemplarische Doppelseite eines Telefons mit vielen Informationen
Collect Part– archivarischer Teil des Buches – exemplarische Doppelseite von mehreren Telefonen mit wenigen Informationen und Abbildung eines besonders schönen Fundstücks
Collect Part– archivarischer Teil des Buches – exemplarische Doppelseite von mehreren Telefonen mit wenigen Informationen und Abbildung eines besonders schönen Fundstücks
Consume Part – Doppelseite mit gefundener SMS – die Fußnote verweist auf ein Telefon im archivarischen Teil
Consume Part – Doppelseite mit gefundener SMS – die Fußnote verweist auf ein Telefon im archivarischen Teil
Consume Part – Doppelseite mit gefundenem Bild und SMS-Verkehr eines anderen Telefons – Fussnoten verweisen auf Telefone im archivarischen Teil
Consume Part – Doppelseite mit gefundenem Bild und SMS-Verkehr eines anderen Telefons – Fussnoten verweisen auf Telefone im archivarischen Teil
Consume Part – Doppelseite mit gefundenen Bildern – Kurzgeschichte zu einem Telefon auf verkürzter Seite
Consume Part – Doppelseite mit gefundenen Bildern – Kurzgeschichte zu einem Telefon auf verkürzter Seite
2013

Collect Consume Forget

Gestaltung

Niklas Hippel

Pate

Daria Groß

Kategorie

durch die Blume

vorgeschlagen am

6. Juli 2013

Plädoyer

Datenschutz ist ein heikles Thema. Wir alle möchten ungern der Öffentlichkeit Privates von uns preisgeben. Wer schon mal ein Handy verloren hat oder dem es geklaut wurde, sollte hier aufhorchen.

Niklas Hippel hat in Bremen auf Flohmärkten und Internetplatformen 100 Handys erworben und diese in einem Buch gelistet. In schöner Typografie wurden wie in einem Produktkatalog alle Merkmale, Produktdetails und die übrig gebliebenen Daten fein säuberlich aufgeführt. Da bei Entnehmen der SIM-Karte nicht alle Daten von einem Handy gelöscht werden, also ein Teil immer noch auf dem Telefon selbst gesichert ist, bieten die Fundstücke eine Menge interessanter Daten. SMS, Adressbucheinträge, Bilder und Videos – aufregende Dinge!

Neben der Auflistung sind in einem zweiten Teil großformatig Bilder und Textfragmente aus den dazugehörigen Textnachrichten grafisch in Szene gesetzt.

Die 100 Handys wurden zu Niklas Hippels Diplomarbeit 2011 an der Hochschule für Künste in Bremen an einer Wand in Szene gesetzt. Davor ein Stuhl mit einem kleinem Holztisch, auf dem man das wuchtige lilafarbene Buch mit gelber Banderole vorfand. Beim Blättern der Seiten war der Blick auf die Handys gerichtet. Ich selber habe mit Schrecken zwei Modelle entdeckt, die mir abhanden gekommen sind – mulmiges Gefühl!

Das Buch macht deutlich, wie achtlos wir mit unseren Daten umgehen. Und es macht nachdenklich. Wer hat die Rechte an den gespeicherten Bildern? Was ist mit den Telefonnummern aus den Adressbüchern?

Ein echt gelungenes Buch – grafisch und thematisch!

Beschreibung

In dieser Arbeit thematisiere ich den digitalen Müll des Alltags, die Identität des Menschen und den Umgang mit der selbigen.

Mein Ziel war, digitale Archive der Gegenwart ausfindig zu machen – in begrenztem Umfang, übersichtlich und mit einer Vielzahl unterschiedlicher Informationen – und ich fand einen persönlichen Gegenstand, einen treuen Begleiter: das Mobiltelefon. Ich fand ein Schmuckkästchen, welches an der intimen Privatsphäre seines Besitzers teilhaben darf, welches zwar wichtige und einschneidende Lebensabschnitte dokumentiert, aber dennoch nur aus gegenstandslosen Einsen und Nullen besteht. Ich fand ein Archiv, welches zwar über einen bestimmten Zeitraum gefüllt, gepflegt und gehütet wird, aber dann in Vergessenheit gerät – collect, consume, forget, die Erinnerungen, die emotionale Komponente.

In Zeiten, in denen sich der Bürger über »NSA-Affären«, den gläsernen Menschen und die Google-Maschinerie echauffiert, muss man gar nicht erst die Aquarien der Social-Communities wie Twitter und Facebook aufsuchen, um auf den nachlässigen Umgang mit der eigenen Identität zu stoßen. 100 Mobilfunktelefone kosten in einem Internetauktionshaus zwischen 100 und 300 Euro und sind gefüllt mit bebilderten Geschichten, komprimierter Poesie, Traurigem, Lustigem, Spannendem oder auch Langweiligem. Sie dokumentieren das ungeschönte Leben.

Das Handy ist ein fetischartiges Symbol und Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Es reflektiert auf einzigartige Weise den Alltag des Nutzers zu einem bestimmten Zeitpunkt – eine Mischung aus emotionaler Beziehung und repräsentativem Statussymbol. In der Rolle des Informationsparasiten analysierte, katalogisierte und archivierte ich jedes dieser Telefone, las äußere Eindrücke und innere Werte aus, interpretierte sie und verknüpfte sie zu neuen Inhalten.

Das Buch als Urform des Archives und Medium, welches die Gegenstandslosigkeit der Daten haptisch erfahrbar macht, erschien mir für meine kri­ti­sche Zusam­men­fas­sung der Fund­stü­cke die geeignetste Form zu sein. Mein Wendebuch hat zwei Teile – einen archivarischen Teil und einen, der sich mit den Highlights beschäftigt. Des weiteren sind 20 Kurz- und Hörgeschichten entstanden, welche einige Telefone und ihre Besitzer skizzieren und karikieren.

Es soll der buchhalterische Datafreak angesprochen werden, der sich im kindlichen Frühstadium seines Statistikerlebens stundenlang im Abwägen von Quartettkarten verlieren konnte, der es liebt, Daten zu vergleichen und Schlüsse daraus zu ziehen. Der visuell- und textaffine Mensch widmet sich zunächst den Geschichten und Grafiken und wirft danach vielleicht noch einen Blick in das Archiv.

Mehrere Ausstellungen begleiteten das Projekt und regten zu stundenlangen Diskussionen an. Dieses Projekt lässt offenbar niemanden kalt. Wer immer es sieht, ist betroffen, fühlt sich einbezogen, bezieht Stellung, ist peinlich berührt, gar wütend oder total belustigt.

Details

Entstehungsjahr

2010

Prototyp

weitere Angaben

Bindung:
Wendebuch, Leinenhardcover mit Prägung und Banderole

Format:
Din A4

Umfang:
330 Seiten

Papier:
Banderole: Munken Pure 100 g/m²

Drucktechnik:
Banderole: Siebdruck

Website

www.collect-consume-forget.com

initiiert von

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