2012

Blaubau

Gestaltung

Jörg Oswald

Pate

Markus Aust

Kategorie

kleine Ewigkeit

vorgeschlagen am

8. Oktober 2012

Plädoyer

Funktionsarchitektur ist meistens schlimm. Aber das hier ist anders.

Spielt da ein Riesenkind mit seinen blauen Klötzen? Gibt’s eine LandArt-Ausstellung in provinzieller Umgebung? Nein, das ist ein Hochregallager von innen und gleichzeitig eine Arbeit des Berliner Kommunikationsdesigners Jörg Oswald von aussen.

Der Blick in das Nichts der Industriezone hält sich immer wieder am blauen Objekt fest. Beim Näherkommen ist der Betrachter schließlich blau überwältigt. Der große blaue Würfel in der Landschaft verletzt nicht baumarktmäßig die Sinne des Betrachters. Es sind eigentlich nur kleine intelligente Verschiebungen innerhalb des vorgegebenen Rahmens, die zu der Umdeutung zum großen Designobjekt führen. Natürlich benutzt Oswald die industriellen Profile, ordnet sie aber seinem gestalterischen Plan unter und natürlich kommt der Würfel ohne den optischen Quatsch der Firmenbeschilderung aus. Stellen Sie sich einfach eine Wegbeschreibung vor: »Sie finden uns beim blauen Würfel, aber eigentlich sind wir der blaue Würfel«.

Oswalds Arbeit ist ein Glücksfall: für die Region gibt es eine prägnante und schöne Landmarkierung. Für den Form-Enthusiasten gibt es zusätzlich zur ästhetischen Freude und Überraschung die Bestätigung, dass Gestalter und Auftraggeber, so sie eine gemeinsame Sprache sprechen, sehr viel in Bewegung setzen können. Und das ganz ohne die öffentliche Hand, in den engen Grenzen der Flächennutzungspläne, mit Funktion und wunderbar spielerischer Optik.

Eine gelungene Intervention in den Raum und in die Denkstrukturen ihrer Benutzer.

Beschreibung

Die Firma Alutecta beauftragte mich 1999 mit dem Entwurf einer Fassade für ein Hochregallager. Dieses dient den Kunden als Materiallager und hilft, Lieferzeiten zu verkürzen. Bereits in der Planung wurde wegen der Dimension und der weitsichtbaren Lage des Lagers die Notwendigkeit einer ansprechende Hülle des Gebäudes erkannt. Dem Fachbetrieb für Aluminium-Oberflächen und -Bearbeitung bot sich mit diesem Projekt die Chance, mit eigenen Produkten seine Leistungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. »Wir realisieren Ideen in Form, Farbe und Funktion« lautet die Firmenphilosophie. Das Hochregallager sollte diesem Anspruch gerecht werden. In enger Zusammenarbeit mit der Firmenleitung und der Projektplanung entstand eine Umsetzung, die mit minimalem Mehraufwand realisiert werden konnte.

Die Form des Lagers blieb unverändert, die Verkleidung legte ich auf 1,80 x 1,80 m große Aluminiumwellbleche fest. Alutecta ist unter anderem spezialisiert auf die Sandalor-Färbung eloxierter Oberflächen. Farbeloxal bewahrt das metallische Aussehen, reflektiert das Licht und bietet eine sehr hochwertige, »lebendige« Optik. Für das Hochregallager wählte ich einen blauen Sandalor-Farbton in fünf Helligkeitsstufen. Theoretisch ermöglicht dieses Verfahren unendlich viele Helligkeitsstufen. Im Oberflächen-Markt wird normalerweise das Gegenteil verlangt, deswegen werden in der Praxis nur vier Abstufungen angeboten. In der Eloxalproduktion wurde speziell für dieses Projekt eine zusätzliche Helligkeitsstufe hergestellt. Die Farbquadrate verteilte ich nach einer genauen Festlegung so, daß eine Struktur ohne Flächen-, Muster- oder Linienbildung entstand. Grundlage dieser Idee ist das – vermeintlich chaotische – Ordnungsprinzip der Natur. Chaotische Strukturen sind und bleiben aufgrund ihrer Komplexität »spannend«, die kompakte Form des Hochregallagers wird durchbrochen und aufgelockert. Wie eine Tarnhülle sind die Blautöne in ihrer Streuung außerdem eine Annäherung an die natürliche Blaupalette der Umgebung. Das Aussehen der Außenhülle ist zudem eine Analogie zum Inneren des Lagers: 1000 Lagerplätze unterscheiden sich in Farbe und Inhalt und werden durch eine so genannte »chaotische Lagerhaltungs-Logistik« bearbeitet. Das heißt, jede Palette wird vollautomatisch immer in der nächsten freien Position geparkt und vom System registriert.

Für Alutecta erfüllt dieses Hochregallager nun gleich zwei Dienste: es ist ein wichtiger Bestandteil der Produktion und Werbeträger in einem. Die Kosten, die durch diese Gestaltung der Fassade entstanden, lagen bei circa 0,5 Prozent der gesamten Investitionssumme. Der dadurch generierte Mehrwert ist zwar nur schwer in Zahlen zu fassen, dafür aber für jeden Besucher von Kirchberg sinnlich erlebbar: aus einer wirtschaftlich sinnvollen Investition wurde ein positives Identifikationsobjekt für Mitarbeiter. Der Kubus verwandelte sich in eine Landmarke und kommuniziert nicht nur die Prozesse, die im Inneren des Lagers stattfinden, sondern ist auch ein Aushängeschild für die Qualitäten der Firma Alutecta.

Details

Entstehungsjahr

2000

realisiert

Ort

Rudolf-Diesel-Straße 1
55481 Kirchberg
Deutschland

weitere Angaben

Maße:
L x B x H​
27 x 24 x 18 m

Material:
Aluminiumwellblech

Oberfläche:
Farbeloxal in 5 Blautönen

initiiert von

Beteiligte

Schlagwörter

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